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(2021) Wie werden die Kosten für Umbaumaßnahmen aufgrund einer Behinderung berücksichtigt?

Wenn ein Familienmitglied von einer Behinderung betroffen ist, werden oftmals erhebliche Umbaumaßnahmen in der Wohnung oder am Eigenheim erforderlich, um dem Behinderten trotz gesundheitlicher Einschränkungen weiterhin ein Leben in seiner gewohnten Umgebung zu ermöglichen und ihm den Umzug in ein Pflegeheim zu ersparen.

Solche Aufwendungen für behinderungsbedingte Umbaumaßnahmen können als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sein, wenn Sie bestimmte Bedingungen beachten.

Kosten für Umbau der Dusche

Aktuell hat das Finanzgericht Baden-Württemberg die Aufwendungen für den Umbau der Dusche in voller Höhe als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anerkannt, wobei allerdings eine zumutbare Belastung anzurechnen ist. Die Aufwendungen für Material und Arbeitslohn stellen Krankheitskosten dar, denn sie dienen unmittelbar der Linderung einer Krankheit (FG Baden-Württemberg vom 19.3.2014, 1 K 3301/12).

Der Fall

Eine alleinstehende Dame leidet an Multipler Sklerose und hat einen Grad der Behinderung von 50. Eine Pflegestufe ist (noch) nicht bescheinigt. In ihrem Eigenheim lässt sie die Dusche behindertengerecht um-bauen: Die Duschwanne wird entfernt und ein bodengleiches Duschelement eingebaut, die Armaturen werden erneuert, die Duschkabine neu gefliest und mit einer Tür versehen. Danach ist die Dusche bodengleich begehbar und mit einem Rollstuhl befahrbar.

Das Finanzgericht hat einen Gegenwert für die neue Dusche nicht angerechnet. Denn nach neuer BFH-Rechtsprechung sind bei behinderungsbedingten Umbaumaßnahmen die Aufwendungen so stark durch die Zwangslage der Behinderung begründet, "dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände in den Hintergrund tritt" (BFH-Urteil vom 24.2.2011, BStBl. 2011 II S. 1012).

Des Weiteren bleibt auch ein marktgängiger Vorteil außer Betracht: "Ein Gegenwert, der allein auf der möglichen Nutzung der Umbauten durch nichtbehinderte Familienangehörige beruhen soll, ist kein realer Gegenwert und mithin ungeeignet, ein Abzugsverbot zu begründen" (BFH-Urteil vom 22.10.2009, BStBl. 2010 II S. 280).

 

Kosten für Einbau eines Fahrstuhls

Aufwendungen für den Einbau eines Fahrstuhls in das eigene Haus wurden bisher nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Nicht anerkannt wurde auch ein Aufzugsturm, der an das bestehende Gebäude angebaut wurde. Begründet wurde dies damit, dass eine solche Baumaßnahme auch für Nichtbehinderte von Vorteil ist und deshalb zu einer Werterhöhung des Gebäudes führt.

Doch nach neuerer BFH-Rechtsprechung spielen die Frage des Gegenwertes und des marktgängigen Vorteils jetzt keine wesentliche Rolle mehr (BFH-Urteil vom 22.10.2009, BStBl. 2010 II S. 280; BFH-Urteil vom 24.2.2011, BStBl. 2011 II S. 1012).

Das Finanzgericht Köln hat die Kosten für den Einbau eines Fahrstuhls in Höhe von 65.000 Euro als außergewöhnliche Belastungen anerkannt, weil der Einbau eines kostengünstigeren Treppenliftes aus technischen Gründen nicht möglich war (FG Köln vom 27.8.2014, 14 K 2517/12, Revision).

Aktuell hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass Aufwendungen für die Anlage eines rollstuhlgerechten Weges im Garten eines Einfamilienhauses nicht zwangsläufig sind, wenn sich auf der anderen Seite des Hauses eine Terrasse befindet, die mit dem Rollstuhl erreichbar ist. Folglich sind die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Immerhin sind die Lohnkosten als Handwerkerleistung mit 20 Prozent (höchstens 1.200 EUR) von der Steuerschuld abzuziehen (Urteil vom 15.1.2020, 7 K 2740/18 E).

Aufwendungen für medizinisch indizierte Maßnahmen sind typisierend als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, ohne dass es im Einzelfall einer Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach Bedarf. Weiter ist zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung angezeigt ist, sondern jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, das hinreichend gerechtfertigt ist.

Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen, es sei denn, es liegt ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor. Auch bei Kosten von 65.000 Euro für einen Fahrstuhl liegt hier kein für jedermann offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor. Diese Kosten sind angemessen.

Dies gilt insbesondere dann, wenn der Einbau eines kostengünstigeren Treppenlifts aus technischen Gründen nicht möglich war.

Der Bundesfinanzhof hatte bereits geklärt, dass der Fahrstuhl ein "medizinisches Hilfsmittel im engeren Sinne" darstellt, das ausschließlich von Kranken oder Behinderten angeschafft werde, um ihr Leiden zu lindern. Bei solchen Gegenständen muss nicht vor der Anschaffung ein amtsärztliches Attest eingeholt werden, denn hier kommen nicht die strengen Anforderungen des § 64 Abs. 1 Nr. 2e EStDV zur Anwendung (BFH-Urteil vom 6.2.2014, VI R 61/12).

Tipp

Der volle Abzug im Jahr der Verausgabung kann allerdings ins Leere laufen, wenn die außergewöhnlichen Belastungen höher sind als der Gesamtbetrag der Einkünfte, von dem sie abgezogen werden sollen. So bringt die steuerliche Absetzbarkeit nicht den gewünschten Entlastungseffekt. Es wäre vorteilhafter, wenn hohe Aufwendungen auf mehrere Jahre verteilt werden könnten. Aber: die Finanzverwaltung sperrt sich und erklärt: "Eine Verteilung auf mehrere Jahre ist nicht zulässig" (R 33.4 Abs. 4 und 5 EStR).

Der Bundesfinanzhof hat die harte Haltung des Fiskus bestätigt: Außergewöhnliche Belastungen sind grundsätzlich in dem Jahr absetzbar, in dem sie geleistet wurden. Hohe Kosten für den behindertengerechten Wohnungsumbau dürfen nicht aus Billigkeitsgründen auf mehrere Jahre verteilt werden, wenn sie sich im Kalenderjahr, in dem sie verausgabt worden sind, steuerlich nur sehr eingeschränkt auswirken können (BFH-Urteil vom 12.7.2017, VI R 36/15).

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