Trennung von Ehegatten: Besteht eine Pflicht zur Zusammenveranlagung?

Trennung von Ehegatten: Besteht eine Pflicht zur Zusammenveranlagung?

Eheleute können zwischen der Einzelveranlagung und der Zusammenveranlagung wählen. Auch getrennt lebenden Ehegatten steht das Wahlrecht für das Jahr der Trennung noch zu, das heißt, sie können entweder einzeln oder aber gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Zusammenveranlagung mit dem Splittingtarif ist grundsätzlich dann vorteilhaft, wenn einer der beiden keine oder nur geringe Einkünfte erzielt hat.

In vielen Fällen sind die Ex-Partner jedoch so miteinander zerstritten, dass an eine – freiwillige – Unterschrift zur Zusammenveranlagung nicht mehr zu denken ist. Allerdings sollten die Noch-Ehegatten – bei allem Streit – bedenken, dass die willkürliche Verweigerung einer Zustimmung zur Zusammenveranlagung teuer werden kann. Gegebenenfalls kann der benachteiligte Ehegatte nämlich Schadenersatz verlangen.

Bundesgerichtshof: Zustimmung zur Zusammenveranlagung grundsätzlich verpflichtend

Aus dem Wesen der Ehe gilt für beide Ehegatten grundsätzlich die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. Es besteht daher für beide Ehegatten jeweils die Verpflichtung, in eine Zusammenveranlagung einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen Ehegatten verringert, der in Anspruch genommene aber keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird (BGH-Urteil vom 13.10.1976, IV ZR 104/74).

Das gilt auch nach einer Trennung: Eine hiernach begründete familienrechtliche Verpflichtung, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, bleibt auch nach der Scheidung als Nachwirkung der Ehe bestehen (BGH-Urteil vom 12.6.2002, XII ZR 288/00).

OLG Koblenz: Zustimmung trotz vorheriger Steuerklasse V

Zuweilen sieht einer der Partner Nachteile auf sich zukommen, wenn er der Zusammenveranlagung zustimmt. Wenn seine Lohnsteuer nämlich nach der Steuerklasse V einbehalten wurde, so kann er bei der Einzelveranlagung zumeist mit einer hübschen Steuererstattung rechnen. Dass die Zusammenveranlagung für beide Ex-Partner zusammengerechnet die günstigere Variante ist, wird ihn dann nicht weiter interessieren, denn er schaut auf seinen eigenen Geldbeutel. Doch so einfach ist es nicht.

Das Oberlandesgericht Koblenz hat entschieden, dass der Zusammenveranlagung auch zugestimmt werden muss, wenn einer der beiden Ehegatten die Steuerklasse V hatte (OLG Koblenz, Beschluss vom 12.6.2019, 13 UF 617/18).

Der Fall: Während des Zusammenlebens wurde der Lohn des Ehemanns aufgrund dessen höheren Einkommens nach Steuerklasse III und der Lohn der Ehefrau nach Steuerklasse V besteuert. Bei Abgabe der Steuererklärung waren die Partner aber bereits zerstritten und lebten in Trennung. Insgesamt war zwar die – noch zulässige – Zusammenveranlagung die günstigere Variante. Allerdings war die gemeinsame Veranlagung für die Ehefrau nachteilig gegenüber einer Einzelveranlagung.

Denn nachdem bei ihr im Jahr 2015 der Steuerabzug nach Lohnsteuerklasse V erfolgt war, hätte sie bei einer Einzelveranlagung eine hohe Steuererstattung erhalten. Doch die Richter des OLG sehen dennoch eine Pflicht, der Zusammenveranlagung zuzustimmen. Auch kann die Ehefrau keinen Ersatz ihres „Schadens“ verlangen, den sie dadurch erleidet, dass ihr die von ihr gezahlte hohe Lohnsteuer nun nicht mehr allein angerechnet wird.

Begründung: Ehepartner sind einander grundsätzlich verpflichtet, die finanziellen Lasten des anderen nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. Ein Ehepartner ist daher dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert wird und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehepartner keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird.

Das gilt auch bei getrennt lebenden Ehepartnern, wenn noch eine Zusammenveranlagung für die Zeit des Zusammenlebens verlangt wird. Hingegen kann ein Ehepartner nicht wegen des Scheiterns der Ehe von dem anderen den Betrag ersetzt verlangen, den er nach der im Vergleich zur getrennten Veranlagung ungünstigeren Lohnsteuerklasse V zuvor mehr gezahlt hat. Das Gesagte gilt jedenfalls für den Zeitraum bis zur Trennung.

OLG Bamberg: Pflicht zur Zustimmung zur Zusammenveranlagung kann abbedungen werden

Eine bemerkenswerte Entscheidung hat nun das Oberlandesgericht Bamberg gefällt: Haben die Ehegatten ihre Pflicht zur Zustimmung zur Zusammenveranlagung erst einmal abbedungen, kann der benachteiligte Ehegatte später – wenn er die Höhe seiner Nachzahlung „erkannt hat“ – den Ex-Partner nicht mehr zur Zustimmung verpflichten. Hier blieb es bei der Einzelveranlagung, die im Streitfall offenbar für die Ehefrau günstig, für den Ehemann hingegen nachteilig war (OLG Bamberg, Beschluss vom 10.1.2023, 2 UF 212/22).

Der Fall: Die Eheleute lebten seit Anfang 2019 in Trennung. Nachdem sie durch das Finanzamt zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen für den Zeitraum 2013 bis 2019 aufgefordert worden waren, wandte sich die Ehefrau zur Unterstützung an einen Lohnsteuerhilfeverein. Sie wies ihren Ex-Partner darauf hin, dass eine gemeinsame steuerliche Veranlagung gegenüber einer Einzelveranlagung wirtschaftlich vorteilhaft wäre.

Ausgehend von einem WhatsApp-Schriftverkehr verweigerte der Ehemann jedoch eine Mitwirkung an einer Zusammenveranlagung und forderte die eigenen Steuerunterlagen vom Lohnsteuerhilfeverein zurück. Trotz der von der Ehefrau erhaltenen Informationen über die wirtschaftlich für ihn nachteilige Einzelveranlagung („Dann müsstest du mehr nachzahlen“) bestand der Ehemann auf der Beendigung seiner Betreuung durch den Lohnsteuerhilfeverein.

Im Folgenden reichte die Ehefrau ihre Steuererklärungen ein und erhielt hohe Steuererstattungen. Gegenüber dem Ehemann ergingen im Rahmen der Einzelveranlagung Steuerbescheide mit beträchtlichen Nachzahlungen. Als er seinen „Fehler“ erkannt hat, wollte er seine Ehefrau doch noch nachträglich zur Zustimmung zur Zusammenveranlagung verpflichten. Doch mit diesem Anliegen ist er beim OLG Bamberg gescheitert.

Begründung: Aus dem WhatsApp-Schriftverkehr zwischen den Beteiligten ergibt sich, dass der Ehemann bereit war, die Nachteile einer Einzelveranlagung hinzunehmen. Es war ihm bekannt, dass die Ehefrau die bereits beim Lohnsteuerhilfeverein begonnene Fertigung der Steuererklärungen fortführen wollte und daher eine verbindliche Antwort benötigte, in welcher Form dieses geschehen sollte.

Trotz der von ihr erhaltenen Informationen über die wirtschaftlich für ihn nachteilige Einzelveranlagung bestand der Ehemann auf der Beendigung seiner Betreuung durch den Lohnsteuerhilfeverein. Somit bestand zwischen den Beteiligten Einvernehmen darüber, dass keine Zusammenveranlagung erfolgen sollte, sondern die Steuererklärungen getrennt im Sinne einer Einzelveranlagung abzugeben waren.

Der Wirksamkeit dieser vertraglichen Absprache steht nicht entgegen, dass der Antragsteller im Nachhinein versucht hat, sich wieder von ihr zu lösen, als er von der Höhe der auf ihn im Rahmen der Einzelveranlagung entfallenden Nachzahlung erfahren hat.

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