Wer die Familienkasse rechtzeitig über die Erwerbstätigkeit seines Kindes informiert, darf darauf vertrauen, dass diese korrekt prüft. Ein neues Urteil zeigt: Eine nachträgliche Rückforderung von Kindergeld ist unzulässig, wenn die Familienkasse ihrer Ermittlungspflicht nicht nachkommt – auch wenn die Voraussetzungen rückwirkend entfallen wären.
Kindergeld und Erwerbstätigkeit in der Zweitausbildung
Eltern können auch während der Zweitausbildung ihres volljährigen Kindes Kindergeld erhalten – vorausgesetzt, das Kind arbeitet nicht regelmäßig mehr als 20 Stunden pro Woche. Wird diese Grenze überschritten, entfällt der Anspruch. Wichtig ist dabei, dass die Familienkasse rechtzeitig über die Tätigkeit und deren Umfang informiert wird.
Doch was passiert, wenn die Eltern ihrer Mitteilungspflicht nachkommen, die Familienkasse jedoch untätig bleibt? Genau das war der Fall in einem Verfahren vor dem Finanzgericht Düsseldorf (Urteil vom 8.3.2024, 15 K 1957/23 Kg, veröffentlicht am 14.7.2025).
Der Fall im Detail: Mutter informiert, Familienkasse ignoriert
Der Sohn der Klägerin begann nach einer abgeschlossenen Ausbildung ein Vollzeitstudium. Anfangs arbeitete er unterhalb der 20-Stunden-Grenze (19,25 Stunden/Woche). Die Mutter informierte die Familienkasse rechtzeitig über seine Beschäftigung. Später teilte sie mit, dass die Arbeitszeit ab dem 1.10.2018 auf über 23 Stunden pro Woche erhöht wurde – erneut mit genauer Stundenangabe. Doch die Familienkasse reagierte nicht. Sie zahlte das Kindergeld weiter aus.
Erst im August 2023 – also knapp fünf Jahre später – hob sie die Kindergeldfestsetzung rückwirkend für den Zeitraum Oktober 2018 bis Juni 2022 auf und forderte 9.910 Euro zurück. Die Begründung: Der Sohn habe mehr als 20 Stunden gearbeitet, somit bestehe kein Anspruch mehr.
Finanzgericht: Verletzung der Ermittlungspflicht durch die Familienkasse
Das Finanzgericht Düsseldorf entschied zugunsten der Klägerin. Zwar habe sie materiell keinen Anspruch auf Kindergeld gehabt, doch sei der Aufhebungsbescheid rechtswidrig. Die Familienkasse habe gegen ihre Ermittlungspflicht nach § 88 AO verstoßen.
Die Mutter hatte alle Informationen ordnungsgemäß und rechtzeitig übermittelt. Die Behörde hätte diese Mitteilungen prüfen und aufgreifen müssen. Ein rückwirkender Aufhebungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn die Familienkasse die Rückforderung durch eigenes Fehlverhalten verursacht hat.
Rückforderung unzulässig bei Behördenversäumnis
Wegen der Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht kann die Familienkasse die fehlerhafte Kindergeldzahlung nicht einseitig rückgängig machen. Der Rückforderungsbescheid nach § 37 Abs. 2 AO ist in solchen Fällen ebenfalls unwirksam. Entscheidend ist: Die Eltern haben korrekt und vollständig informiert – die Verantwortung liegt bei der Behörde.
Fazit: Eltern müssen korrekt handeln – Familienkasse aber auch
Das Urteil stärkt Elternrechte im Kindergeldverfahren. Wer seiner Mitwirkungspflicht nachkommt und die Familienkasse transparent über Änderungen informiert, muss nicht für behördliche Versäumnisse haften. Bei einem Verstoß gegen die Ermittlungspflicht darf eine rückwirkende Aufhebung des Kindergeldbescheids nicht erfolgen – auch dann nicht, wenn die Voraussetzungen im Nachhinein nicht mehr vorlagen.