Einspruchsfrist: Wenn der Postdienstleister nicht täglich zustellt

Einspruchsfrist: Wenn der Postdienstleister nicht täglich zustellt
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Wer einen Einspruch gegen seinen Steuerbescheid einlegen will, muss die Einspruchsfrist beachten. Grundsätzlich hat man für den Einspruch einen Monat Zeit, und zwar gerechnet ab Bekanntgabe des Bescheides. Erhalten Sie Ihren Steuerbescheid mit einfachem Brief, gilt der Steuerbescheid am dritten Tag, nachdem das Finanzamt den Brief zur Post gegeben hat, als bekannt gegeben (Drei-Tages-Frist, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO).

Das heißt: Trägt Ihr Steuerbescheid das Datum 2. Mai 2023, gilt er am 5. Mai 2023 als bekannt gegeben und Sie können bis zum 5. Juni 2023 Einspruch einlegen. (Fällt der letzte Tag der Drei-Tages-Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, gilt der Steuerbescheid erst am darauffolgenden Werktag als bekannt gegeben.)

Die Drei-Tages-Frist ist eine so genannte Bekanntgabefiktion und gilt seit eh und je. Letztlich stammt sie aus der guten alten Zeit, als die Deutsche Bundespost für die Beförderung von Briefen noch das gesetzliche Monopol hatte und man regelmäßig davon ausgehen konnte, dass ein Brief innerhalb von drei Tagen den Empfänger erreicht hat. Doch seit die Finanzverwaltung immer öfter private Postdienstleister einsetzt, gibt es Zweifel, ob die Bekanntgabefiktion, also die Drei-Tages-Frist, zu halten ist. In vielen Bezirken soll zum Beispiel angeblich montags keine Zustellung erfolgen. Auch in entlegenen Gemeinden soll die Postzustellung vermeintlich etwas zögerlicher sein.

Bereits im Jahre 2018 hat der Bundesfinanzhof die Bedenken aufgegriffen und mit Urteil vom 14.6.2018 (III R 27/17) wie folgt entschieden: Die Zugangsvermutung für die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte gilt zwar auch bei der Übermittlung durch private Postdienstleister. Bei der Einschaltung eines privaten Postdienstleisters, der mit einem Subunternehmer tätig wird, ist allerdings zu prüfen, ob die organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen des Dienstleisters tatsächlich ausreichend sind, um eine regelmäßige Zustellung innerhalb von drei Tagen zu gewährleisten.

Aktuell hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg ähnlich entschieden: Die Zugangsvermutung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entfällt, wenn innerhalb der dort genannten Drei-Tages-Frist an einem Werktag regelmäßig keine Postzustellung stattfindet (Urteil vom 24.8.2022, 7 K 7045/20).

Der Fall: Das Finanzamt erließ den Einkommensteuerbescheid für 2017 am Freitag, dem 15.6.2018 und übersandte ihn unmittelbar an die Klägerin. Diese war beruflich längere Zeit abwesend. Erst ziemlich spät reichte sie den Steuerbescheid an ihren steuerlichen Berater weiter, der daraufhin am 19.7.2018 Einspruch einlegte. Er gab an, dass der Bescheid am 19.6.2018 eingegangen sei. Das Finanzamt verwarf den Einspruch als unzulässig, da der Bescheid nach der Zugangsvermutung (Drei-Tages-Frist) am 18.6.2016 als zugestellt gelte. Die Einspruchsfrist sei daher bereits am 18.7.2018 abgelaufen; der Einspruch sei einen Tag zu spät eingelegt worden. Doch das Gericht sieht die Sache nicht so streng.

Die Richter haben die maßgebenden Postzusteller als Zeugen vernommen. Diese haben ausgesagt, dass die Post der Klägerin nicht regelmäßig an allen Werktagen zugestellt worden sei. Samstags habe in der Straße, in der die Klägerin wohnt, grundsätzlich keine Postzustellung stattgefunden. Die Zugangsvermutung, also die Drei-Tages-Frist, war nach Auffassung des Gerichts folglich nicht anzuwenden.

Zwar finde die Zugangsvermutung auch Anwendung, wenn – zum Beispiel wegen mehrerer arbeitsfreier Tage oder Personalausfall – innerhalb der Drei-Tages-Frist an zwei Tagen keine Zustellung stattfinde. Anders sei dies jedoch, wenn innerhalb der Drei-Tages-Frist planmäßig an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, hier also samstags und sonntags, keine Zustellung erfolge. Fazit: Der Einspruch wurde noch rechtzeitig eingelegt.

 

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 18/22 anhängig.

 

Falls Sie gegen Ihren Steuerbescheid Einspruch einlegen möchten, sollten Sie die Frist nicht ausreizen. Legen Sie gegebenenfalls zunächst einfach Einspruch ein und reichen Sie die Begründung nach. Diese können Sie auch noch nach der einmonatigen Frist nachschieben. Doch wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und Sie die Frist knapp versäumt haben, sollten Sie die aktuellen Urteile des BFH und des FG Berlin-Brandenburg anführen und auf eine Verlängerung der Einspruchsfrist hinwirken.

Machen Sie deutlich, dass der private Dienstleister Ihre Post tatsächlich nicht immer in kürzester Zeit zustellt. Benennen Sie gegebenenfalls Zeugen – reine Behauptungen ohne jegliche Substanz reichen nicht aus!

Übrigens, nur am Rande: Der Hinweis, dass montags generell keine Post zugestellt werde, mag in einigen Fällen zutreffend sein, entpuppt sich vielfach aber als modernes Märchen. Dass montags keine Post im Briefkasten liegt, hängt zumeist damit zusammen, dass Unternehmen, Behörden und andere Institutionen am Samstag üblicherweise keine Post aufgeben, die am Montag zugestellt werden könnte.

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