Beim Immobilienverkauf innerhalb von zehn Jahren droht oft eine Steuerfalle, die viele nicht auf dem Schirm haben: die sogenannte Neujahrsfalle beim Immobilienverkauf. Besonders bei geerbten Immobilien kann diese überraschend zu einer Steuerpflicht führen. In diesem Artikel erfahren Sie, worauf Sie achten müssen, um teure Steuerfolgen zu vermeiden.
Steuerpflicht bei Immobilienverkauf innerhalb von zehn Jahren
Wird eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb verkauft, kann ein Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer unterliegen. Grundlage hierfür ist § 23 Einkommensteuergesetz (EStG). Umgangssprachlich wurde dies früher als Spekulationsgeschäft bezeichnet. Eine wichtige Ausnahme gilt jedoch für Immobilien, die der Verkäufer selbst bewohnt hat.
Für geerbte Immobilien gilt: Die Besitzzeit und etwaige Eigennutzung des Erblassers werden dem Erben zugerechnet. Dadurch entfällt häufig die Steuerpflicht, wenn der Erblasser die Immobilie mehr als zehn Jahre gehalten oder selbst bewohnt hat. Dennoch kommt es in der Praxis immer wieder zu Fällen, in denen die Steuerpflicht trotz Selbstnutzung plötzlich greift — hier setzt die Neujahrsfalle beim Immobilienverkauf an.
Wann die Neujahrsfalle beim Immobilienverkauf zuschlägt
Grundsätzlich sind Veräußerungsgewinne bei Immobilienverkäufen steuerfrei, wenn:
- die Immobilie ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (erste Alternative), oder
- sie im Verkaufsjahr und den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (zweite Alternative).
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat hierzu in seinem Urteil vom 3.9.2019 (Az.: IX R 10/19) klargestellt, dass bei der zweiten Alternative keine vollständige Eigennutzung während der gesamten Zeit erforderlich ist. Entscheidend ist:
- Im mittleren Jahr (dem Jahr vor dem Verkaufsjahr) muss die Eigennutzung durchgängig erfolgen.
- Im Verkaufsjahr sowie im zweiten Jahr vor dem Verkauf genügt die Eigennutzung bereits für jeweils einen Tag.
Somit reicht eine zusammenhängende Eigennutzung von einem Jahr und zwei Tagen für die Steuerfreiheit aus.
Leerstand und seine steuerlichen Folgen
Leerstandszeiten sind grundsätzlich unschädlich, wenn:
- sie unmittelbar mit der Eigennutzung zusammenhängen, etwa wegen Renovierungen vor dem Einzug, oder
- nach der Eigennutzung die Verkaufsabsicht besteht (BMF-Schreiben vom 5.10.2000, BStBl. 2000 I S. 1383).
Problematisch wird es jedoch, wenn der Leerstand bereits im Jahr vor dem Verkauf beginnt und sich bis ins Verkaufsjahr erstreckt. In diesem Fall fehlt die notwendige Eigennutzung im maßgeblichen Zeitraum — die Steuerfreiheit entfällt.
Beispiel zur Neujahrsfalle beim Immobilienverkauf
Zur Verdeutlichung ein praktisches Beispiel:
Ein Erblasser nutzte seine Eigentumswohnung fünf Jahre lang ausschließlich selbst. Am 1. Dezember 2024 verstarb er. Sein Erbe verkauft die Immobilie am 1. April 2025. Zwischen dem Tod des Erblassers und dem Verkauf steht die Immobilie leer.
Nach dem aktuellen BMF-Schreiben vom 17.6.2020, BStBl 2020 I S. 576 ergibt sich folgende steuerliche Bewertung:
- Die Besitzzeit des Erblassers wird dem Erben angerechnet, aber die Zehn-Jahres-Frist wird nicht überschritten.
- Die Eigennutzung im mittleren Jahr (2024) war nicht durchgängig gegeben, da der Erblasser nur bis zu seinem Tod in der Immobilie wohnte.
- Im Verkaufsjahr (2025) lag keine Eigennutzung vor.
- Der Leerstand zählt nicht als Eigennutzung.
- Folge: Der Veräußerungsgewinn ist steuerpflichtig.
Aktuelle Unsicherheiten in der Verwaltungspraxis
Die Finanzämter argumentieren zunehmend in dieser Weise und wenden die Neujahrsfalle beim Immobilienverkauf strenger an. Auch wenn sich aus dem BFH-Urteil gute Gegenargumente ergeben, besteht derzeit eine erhebliche Rechtsunsicherheit.
Betroffene sollten daher frühzeitig steuerlichen Rat einholen und ihre Verkaufsplanung entsprechend ausrichten, um eine unerwartete Steuerbelastung zu vermeiden. Besonders bei geerbten Immobilien empfiehlt es sich, die maßgeblichen Nutzungszeiträume sorgfältig zu dokumentieren.