Sind Entschädigungen wegen Erwerbsunfähigkeit zu versteuern?

Sind Entschädigungen wegen Erwerbsunfähigkeit zu versteuern?
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Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gezahlt werden, sind zu versteuern, unterliegen aber der sogenannten Fünftel-Regelung und werden ermäßigt besteuert. Zuweilen können Entschädigungen aber auch ganz steuerfrei bleiben. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) mehrfach entschieden, dass eine Abfindung nicht zu versteuern ist, wenn der Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer Schadenersatz leistet, weil der Chef etwa seine arbeitsrechtlichen Pflichten verletzt hat.

Aktuell musste der BFH einen Fall beurteilen, in dem ein arbeitsloser Mann, der zuvor jedoch fast 25 Jahre berufstätig war, eine Entschädigung für eine missglückte Operation erhalten hat. Es stellte sich die Frage, ob die Zahlung einen Ersatz für entgehenden Verdienst darstellte – und damit steuerpflichtig war – oder ob ein Ersatz für den Wegfall von Sozialleistungen vorlag – und damit steuerfrei war (BFH-Urteil vom 20.7.2018, IX R 25/17).

Konkret ging es um folgenden Sachverhalt: Der Kläger war viele Jahre als Arbeiter in einer Produktion beschäftigt. Nach betriebsbedingter Kündigung schied er im Jahre 2000 aus dem Betrieb aus und war seitdem arbeitslos gemeldet. Infolge einer missglückten Operation in 2003 wurde der Kläger dauerhaft erwerbsunfähig. Seit Februar/März 2004 bezog er Hartz-IV-Leistungen. Im Jahr 2009 erklärte sich der Haftpflichtversicherer des Schädigers bereit, zum Ausgleich sämtlicher Schäden insgesamt 490.000 Euro an den Kläger zu zahlen.

Grundlage dafür war die Versicherung des Klägers, keine Leistungen eines Sozialversicherungsträgers zu erhalten. Die Versicherung bemaß den Erwerbsschaden des Klägers für die Vergangenheit mit 60.000 Euro und für die Zukunft mit 175.000 Euro. Zur Ermittlung des Verdienstausfallschadens hatte der Kläger der Versicherung die Lohnabrechnungen eines gleich qualifizierten Kollegen zur Verfügung gestellt. Das Finanzamt wollte dementsprechend 235.000 Euro versteuern.

Der Bundesfinanzhof hat den Fall letztlich nicht endgültig entschieden, allerdings Grundsätze aufgestellt, wie in ähnlichen Fällen vorzugehen ist:

  • Leistet der Schädiger Ersatz für erlittenen Verdienstausfall, weil er davon ausgeht, dass der Geschädigte bei ungestörtem Verlauf (alsbald) wieder eine Anstellung gefunden hätte, ist die Zahlung steuerpflichtig, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsart in Betracht kommt. Unerheblich ist, dass mangels Vertrags noch keine gesicherte Erwartung auf bestimmte Einnahmen bestand. Nicht nur der Ersatz für entgangene, sondern auch für (zukünftig) entgehende Einnahmen ist steuerpflichtig. Es kommt für die Besteuerung auch nicht darauf an, wie wahrscheinlich die Erzielung der (weggefallenen) Einnahmen bei objektiver Betrachtung war. Maßgeblich ist, dass der Schädiger sie als hinreichend wahrscheinlich erachtet und deshalb Ersatz für zukünftigen Verdienstausfall geleistet hat. Der insoweit einschlägige § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfasst auch Entschädigungen, die nicht vom Schädiger, sondern von dritter Seite, z.B. von einer Versicherung, geleistet werden.
  • Steuerfrei ist hingegen eine Zahlung, mit der der Wegfall des Anspruchs auf steuerfreie Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld oder das Arbeitslosengeld II ersetzt werden soll.
  • Beruht die Leistung auf einer Vereinbarung, muss im Zweifel durch Auslegung ermittelt werden, ob der Schädiger den zukünftigen Verdienstausfall oder nur den Schaden ersetzen wollte, der darin besteht, dass der Anspruch auf steuerfreie Sozialleistungen weggefallen ist. Dass die Versicherung eine Leistung selbst als „Verdienstausfallschaden“ bezeichnet, ist dabei irrelevant.

Der BFH hat die Sache zwar an die Vorinstanz zurückverwiesen, dieser allerdings einen Wink mit dem Zaunpfahl gegeben. Der Kläger hat bis zu seiner Pensionierung noch etwa 20 Erwerbsjahre vor sich. Teilt man die Entschädigung von 175.000 Euro auf 20 Jahre auf, würden sich pro Jahr gerade einmal 8.750 Euro als Verdienstausfall ergeben.

Das erscheint dem BFH offenbar zu gering. Allerdings müsse auch berücksichtigt werden, ob der Kläger überhaupt in der Lage war, die Vereinbarung mit der Versicherung im eigenen Namen abzuschließen. Diese Aussage ist wohl so zu verstehen, dass ggf. die Sozialversicherung ein Wörtchen mitzureden gehabt hätte.

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